Minden. Dass auf der Fläche im Hasenkamp, nordöstlich der heutigen Hauptbebauung des Mindener Stadtteils Dankersen, etwas passieren wird, ist schon seit einiger Zeit klar. Im Jahr 2019 tauchten auf der Fläche in den Boden gerammte Holzpflöcke auf, die auf die Arbeit von Vermessungstechnikern schließen lassen.
Beunruhigt durch diese Entdeckung, immerhin ist die Ackerfläche nicht irgendein x – beliebiger Acker, sondern Teil eines seit 2011 geschützten und eingetragenen Bodendenkmals, wendeten wir uns an die Außenstelle Bielefeld der LWL-Archäologie für Westfalen. Von dort hieß es, dass eine Absicht besteht, die Flächen in der Zukunft zu bebauen. Seither war es in dieser Sache still geworden…
Jetzt kommt wieder Fahrt auf, denn wie das Mindener Tageblatt (MT) am 29. April 2021 berichtet, sucht das in Minden ansässige Unternehmen Ertl Systemlogistik (ESM) dringend nach Erweiterungsmöglichkeiten:
„Unser Hauptkunde ist Mars – und deren Besitzer möchten bis 2040 den CO2-Fußabdruck ihres Unternehmens auf null gebracht haben.“
äußerte sich ESM-Seniorchef Johann Ertl gegenüber dem MT.
Eine Halle soll direkt neben dem Hauptkunden Mars Petcare entstehen, eine Photovoltaik-Anlage und ein Parkplatz südlich vom geplanten Hallenkomplex auf dem Bodendenkmal, welches bei der Stadt Minden unter der Nummer 19 geführt wird. Johann Ertl argumentiert, dass die Errichtung einer PV-Anlage den Boden insgesamt unversehrt lassen würde. Mit der LWL-Archäologie für Westfalen sei man diesbezüglich auch schon im Gespräch. Schon im Herbst/Winter 2022, so die Planer, könnte alles fertig sein.
Doch warum ist die Ackerfläche an der Karlstraße, auf der im Jahr 2019 zuletzt Kartoffeln angebaut wurden und seitdem nicht weiter landwirtschaftlich genutzt wurde, aus archäologischer Sicht so interessant und wichtig?
Das ist einfach erklärt: Im Boden befinden sich die Reste einer linearbandkeramischen Siedlung aus der Zeit ca. 5.000 vor Christus. Entdeckt hatte sie 1989 Rolf Plöger, Bodendenkmalpfleger der Stadt Minden. In der Eintragung der Denkmalbehörde der Stadt Minden heißt es:
„Der Siedlungsplatz der Linienbandkeramik-Kultur vom Hasenkamp in Minden-Dankersen ist nicht nur einer der in Ostwestfalen seltenen Wohnplätze der frühesten Bauern und Viehzüchter aus der Zeit um 5000 v. Chr., sondern zugleich der nördlichste in Nordrhein-Westfalen (die nächstgelegenen vergleichbaren Siedlungen liegen in der Warburger Börde und östlich von Salzkotten).* Unter Flur sind die Siedlungsspuren erhalten, die die einzigen Möglichkeiten darstellen, weitere wissenschaftliche Aufschlüsse über diesen frühen Abschnitt der Menschengeschichte zu gewinnen.“
*Anmerkung: Aktuell gehen wir davon aus, dass der Siedlungsplatz am Hasenkamp zu den nördlichsten, bisher bekannten Siedlungsplätzen der Linienbandkeramischen Kultur (LBK) in Deutschland gehört.
Die ersten Siedlungen kamen mit der Ausbreitung der Neolithischen Revolution (ca. 5600 bis 5500 v. Chr.) nach Ostwestfalen. In dieser Zeit breitete sich die Linienbandkeramische Kultur -benannt nach den charakteristischen Verzierungen der keramischen Gefäße- in unseren Gefilden aus und brachte Hausbau, Ackerbau, Viehzucht, die Herstellung von keramischen Gefäßen und den Brunnenbau mit sich. Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, wenn hier von einer Revolution gesprochen wird. Diese Neuerungen sorgten für einen sozialen und kulturellen Umbruch, der sich bis heute bemerkbar macht. Immerhin leben auch wir noch in einer bäuerlichen Kultur mit Ackerbau und Viehzucht.
Da die LBK, wie zuvor beschrieben, auf Ackerbau und Viehzucht basierte, war es angebracht, Siedlungen dort zu errichten, wo Wasser einfach zugänglich sowie Landschaft und Bodenverhältnisse zum (Über)Leben geeignet waren. Eine solche Situation finden wir am Hasenkamp tatsächlich wieder.
Bevorzugt in den Niederungen größerer Flüsse, wie der Weser oder dem Randbereich vergleichbarer Landschaften, etwa dem Rand der Hochterrasse oder dem oberen Drittel einer zum Fluss hinabfallenden Hanglage, entstanden mit der ältesten bäuerlichen Kultur der Jungsteinzeit Mitteleuropas, auch bei uns permanente Siedlungen. Die charakteristische Hausbauform der LBK ist das Langhaus, ein etwa 12 bis 40 Meter langes und etwa sieben Meter breites Wohnstallhaus.