Porta Westfalica. Untersuchungen, die im Zuge eines Citizen-Science-Projekts unseres Vereins zwischen dem Großen Weserbogen und der Porta Westfalica durchgeführt wurden und noch werden, haben in der Vergangenheit schon mehrfach für ganz besondere archäologische Funde gesorgt. In den Jahren zuvor haben besonders zwei römische Artefakte aus Gold in Costedt für Aufsehen gesorgt. Es handelt sich zum einen um eine römische Goldmünze aus der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts, die unter dem oströmischen Kaiser Constantius II. (337-361 n. Chr.) in der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts (zwischen 355 und 361 n. Chr.) in Aquileia geprägt wurde, zum anderen um einen römischen Goldring, der einem Kind gehört haben muss.
Die aktuelle Forschungskampagne in Porta Westfalica führte erneut zur Entdeckung einer römischen Goldmünze aus der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts. Es handelt sich dabei um eine römische Goldmünze des Kaisers Flavius Arcadius (377-408 n. Chr.).
Die Münze ist von Willi Köster, einem Mitarbeiter des Forschungsprojekts, entdeckt worden. Dieser untersuchte – mit einer Genehmigung ausgestattet – zusammen mit dem Leiter des Forschungsprojekts Daniel Bake und Robert Ludwig eine Ackerfläche am Ortsrand von Costedt. Insgesamt wurden während der aktuellen Forschungskampagne neben weiteren Funden sieben weitere römische Münzen entdeckt. Genauer gesagt handelt es sich dabei um einen Denar, vier Sesterzen und zwei Follis, die allerdings deutlich älter datiert werden und somit nicht im Kontext mit der jetzt entdeckten Goldmünze stehen.
Die Goldmünze wiegt 4,44 Gramm und hat einen Durchmesser von 21 Millimetern. Sie weist leichte Beschädigungen durch landwirtschaftliche Maschinen auf und wirkt auf der Rückseite leicht abgegriffen. Geprägt wurde die Münze unter dem oströmischen Kaiser Arcadius, der sich als Kaiser Imperator Caesar Flavius Arcadius Augustus nannte. Bereits im Januar 383 hatte ihn sein Vater Kaiser Theodosius I. zum Mitkaiser (Augustus) erheben lassen, gab ihm jedoch wenig Regierungsverantwortung. In den Jahren zwischen 395 und 408 n. Chr. war er Kaiser der östlichen Hälfte des Imperium Romanum und somit der erste Herrscher des Oströmischen beziehungsweise des Byzantinischen Reiches.
Auf der Vorderseite der Münze, dem so genannten Solidus, ist eine drapierte Panzerbüste des Arcadius mit Diadem in Brustansicht nach rechts zusammen mit der Umschrift DN ARCADI – VS PF AVG, also: Dominus Noster Arcadius Pius Felix Augustus, zu sehen.
Foto: Daniel Bake/GeFBdML e.V.
Die Rückseite zeigt die thronende Constantinopolis in Frontalansicht, Kopf nach rechts. Constantinopolis war die Personifikation der Stadt Konstantinopel. In ihrer Rechten hält sie ein Zepter, in ihrer Linken einen auf einer Säule aufgestützten Schild, darauf steht: VOT / V / MVL / X (Ungekürzte Legende: Votis Quinquennalibus Multis Decennalibus. Dies bedeutet so viel wie: Gelübde zum fünften Jahrestag der Regentschaft). Diese Gelübde, welche die Kaiser anlässlich eines bevorstehenden Regierungsjubiläums ablegten, waren Gelübde für eine weitere erfolgreiche Herrschaft. In diesem Fall anlässlich des 5. Jahrestages als Augustus. Des Weiteren gab es Gelübde für jedes zehnjährige Jubiläum.
Der rechte Fuß der Constantinopolis steht auf dem Bug eines Schiffes. Auf der Rückseite befindet sich die Umschrift: CONCORDI-A AVGGG Z (das Z retrograd), was so viel bedeutet wie: Die Eintracht der Kaiser. Dabei ist zu beachten, dass jedes G für einen Kaiser oder einen designierten Nachfolger steht. Zum Zeitpunkt der Prägung der Costedter Münze war Arcadius de facto – nur – der designierte Nachfolger seines Vaters. Mitkaiser von Theodosius I. und zuständig für das Westreich war sein Sohn Honorius, der zugleich der ältere Bruder des Arcadius war. Vereinfacht gesagt standen die drei G für Theodosius I., Honorius und Arcadius.
Unter der thronenden Constantinopolis befindet sich im Abschnitt der Hinweis auf die Prägestätte und den Reinheitsgehalt des verwendeten Goldes. Dort steht: CONOB, also: Constantinopoli obryzum. CON bezeichnet hier die Münzstätte von Konstantinopel und OB ist eine Abkürzung von Obryzum und bedeutet 1/72 Pfund reines Gold.
„Da römische Goldmünzfunde in unserer Region selten sind, ist die Entdeckung gleich zweier Solidi wirklich bemerkenswert. Schon 2010 bemerkte Dr. Peter Illisch, im Zusammenhang mit einem Schatzfund in Hiddenhausen (Kreis Herford), dass im Gegensatz zum Hellwegraum zwischen Ruhr und Lippe, sowie dessen Verlängerung nach Osten (Kreise Paderborn und Höxter), im Großraum Minden spätantike Münzen, und dann meist Kleingeld, nicht als Massenphänomen auftreten. Sie wurden hier, verglichen mit den silbernen Denaren des 2. und 3. Jahrhunderts, deutlich seltener entdeckt. Was Anlass geben sollte, das Verhältnis zwischen den Römern auf der linken Rheinseite und den rechtsrheinischen germanischen Stämmen zu überdenken.“, bemerkt Daniel Bake, Grabungstechniker, Geschäftsführer der GeFBdML e.V. und Leiter des Forschungsprojekts.
In einer bisher nicht veröffentlichten Publikation zum Forschungsprojekt schreibt Bake:
„Die Entdeckung der zwei spätantiken Solidi könnten in Zusammenhang mit Gräbern, aber auch in Zusammenhang mit einer Deponierung auf dem Fundplatz stehen. Eine Deutung als Verlustfunde halten wir – dies bestätigte auch ein numismatisches Gutachten, welches der Verein in Auftrag gegeben hatte – für sehr unwahrscheinlich, was damit begründet werden kann, dass sie aufgrund ihres hohen Wertes gut verwahrt wurden. Der Wert eines Solidus war exorbitant. Im 5. bis 6. Jahrhundert betrug der Jahressold eines römischen Soldaten vergleichsweise vier bis fünf Solidi.“
Die Goldmünze wurde der LWL-Archäologie für Westfalen als zuständigem Fachamt gemeldet und wird in den nächsten Wochen an das Fachamt übergeben. Die weitere Auswertung und Bearbeitung wird dort aber mutmaßlich noch einige Zeit in Anspruch nehmen.
Seit 2018 arbeitet unser Verein an diesem Forschungsprojekt, das bisher für eine Vielzahl archäologischer Neuentdeckungen ausschlaggebend war. Auslöser für dieses Forschungsprojekt war das 1989 erschlossene Gräberfeld der jüngeren Römischen Kaiserzeit in Costedt und die Lokalisierung der zum Bestattungsplatz gehörenden Siedlung. Davon ausgehend, dass das Gräberfeld gemeinsam von zwei Hofgemeinschaften genutzt worden ist, die, nebenbei bemerkt, beide einer lokalen sozialen Führungsschicht angehört haben, lautet die zentrale Fragestellung der Untersuchung: Wo genau befanden sich die beiden Hofstellen dieser Siedler aus der jüngeren Römischen Kaiserzeit?
Die umliegenden, landwirtschaftlich genutzten Flächen werden nach Rücksprache mit den Eigentümern und der Denkmalbehörde systematisch untersucht. Das erhoffte Fundspektrum dieser Flächen soll Rückschlüsse auf die Besiedlung und Nutzung der Flächen in der Ur- und Frühgeschichte – mit Hauptaugenmerk auf die jüngere Römische Kaiserzeit – ermöglichen.
Die Ergebnisse der Untersuchungen haben bereits zu einer längerfristigen Betreuung durch den Verein geführt, so dass regelmäßig weitere Artefakte geborgen werden können, die eine Datierung der Fundstellen ermöglichen.
Unter den weiteren Funden der Untersuchungen des Fundplatzes befinden sich unter anderem – neben den typischen Keramikscherben gleicher Zeitstellung – insgesamt 5 Fibeln, ein Orakelstäbchen, eine Glasperle, eine fragmentierte Haarnadel und Artefakte aus Feuerstein. Diese und weitere Funde sowie die ersten Ergebnisse aus dem Forschungsprojekt sollen voraussichtlich noch in diesem Jahr Interessierten in Costedt vorgestellt werden.
Inzwischen arbeiten wir auch mit Hochdruck an einer Publikation zum Forschungsprojekt in Costedt, welche die bisherigen Funde und Forschungsergebnisse populärwissenschaftlich und allgemeinverständlich darstellen soll.
Mit dem Erscheinen des Druckwerks rechnet der Verein noch im Laufe des Jahres. Anfragen und Vorbestellungen diesbezüglich können per E-Mail an info@gefbdml.de gestellt werden.
An dieser Stelle sei allen am Projekt Beteiligten, den Grundstückseigentümern mit ihren Pächtern, dem Ortsheimatpfleger Herrn Ulrich Dörjes und Frau Dr. Simone Vogt gedankt!
Text: Gudrun Görler für das Referat für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der GeFBdML e.V. und Daniel Bake, Leiter des Forschungsprojekts
Fotos: Marc Redeker und Daniel Bake/GeFBdML e.V.
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Erläuterungen zu den römischen Münzen
Follis: Römisches Münznominal (Kupfer, Cu) welches um 294 n. Chr. im Rahmen der Währungsreformen des Diokletian eingeführt wurde, um der Münzverschlechterung und der Inflation entgegenzuwirken. Der Follis, dessen Namensherkunft nicht genau geklärt ist, wurde zur wichtigsten Kupfermünze.
Sesterz: Römisches Münznominal (gefertigt aus lat. Aurichalkum, einer messingähnlichen Kupfer-Zink-Legierung) in der römischen Republik und Kaiserzeit bis zum Kaiser Diokletian
Denar: Römisches Münznominal (Silber, Ag) geprägt von etwa 211 v. Chr. bis in das 3. Jahrhundert n. Chr.
Solidus: Römisches Münznominal (Gold, Au), der Wert eines Solidus in der RKZ war exorbitant. Im 5. bis 6. Jahrhundert betrug der Jahressold eines römischen Soldaten vergleichsweise vier bis fünf Solidi (plural für Solidus).
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